Was macht diese Räume aus?
Die frühen Arbeiten1996-98 (Rote
Landschaft mit Torso, Anderer Swing in Grün, Anderer Swing in Rot, Anderer Swing in Blau) zeigen
einen schichtweisen Aufbau: vor einem diagonal gestreiften Hintergrund, der durch Höhungen als eine
Addition zylindrischer Großformen gegeben ist, legt sich ausschnitthaft organische Malerei:
Fantastische Körperformen, die mit augenartigen Organen hinter die Oberfläche zu schauen
scheinen. Diese Papierarbeiten weisen schon 1996 auf Grettel Arrates Thema hin, die Auseinandersetzung
mit Systemstrukturen in denen sich das kubanische Alltagsleben
bewegt.
Entwicklung:
Die bei den frühen Arbeiten noch im
Hintergrund und in einer Ebene liegenden, glatten metallischen Elemente in technisch hochanspruchsvoller
Spritztechnik prägen nachhaltig die späteren Arbeiten als eigenständiges
Element.
Auf diesen Arbeiten ab ca. 2002 sind Gegenstände des Alltags erkennbar.
"Zwei Geschichten und etwas mehr" sind visualisierte Alltagsgeschichten aus Kuba.
Papierflieger, Drachen, Schirme, Stühle, Hängematten und Windpropeller. Diese die
Künstlerin seit ihrer Kindheit umgebenden Gegenstände macht Grettel Arrate durch Abstraktion
zu ihrem eigenen Thema: "Windräder, Drachen, Schirme, Boot" - indem Arrates
Zylinderformen den abstrahierten Gebrauchsgegenstand formen, enthebt sie die Gegenstände ihrer
Alltagstauglichkeit und schafft neue Bezüge.
Eine metallische Härte der
Zylinderstäbe und kräftige Farbigkeit prägen die Arbeiten dieser Werkreihe. Engen die
Stabformen ein oder werden die zerfallenden Räume von Stäben zusammengehalten? - Korsett oder
eingeengter Raum. Die Künstlerin gibt keine eindeutigen Hinweise.
Und
doch:
Der gesellschaftlich kontroverse Kontext ausgedrückt durch das Stilelement
zylindrischer Metallstäbe zieht sich durch das gesamte Werk Grettel Arrates. Es entstehen
unpassierbare Räume, Arretierungen, Synonym für nicht umsetzbare Handlungen.
In den
Arbeiten "Ivan der Schreckliche, Erich der Rote, Zwischen blauen Pfosten- Du und ich"
durchkreuzen glatten Stäbe in allen Ebenen den Raum, formal gekonnt die Figuren einbindend. Die
jetzt dunklere, und damit bedrohlicher wirkende Farbigkeit der Stäbe kombiniert mit einer
metallischen Härte der gespritzten Staboberflächen kontrastieren mit dem zwischen den Stangen
verfangenen Menschen - einem nackten mit tiefen Schatten umgebenen Menschen.
Die Nacktheit,
Direktheit. Es geht um den Menschen selbst, erkennbar auch am zeichenhaft eingefügten Herzent. Er
steht in Gefahr, sich mit jeder weiteren Bewegung noch weiter in dem chaotischen, d.h. unberechenbaren
Gitter zu verfangen, das ihn umgibt - Ausweglosigkeit aber auch Kraft zu widerstehen, standzuhalten
prägt diese Arbeiten.
Als europäische Betrachter könnten wir diese gesichtslos
bedrohliche Einengung auch der politischen Situation in Kuba zuschreiben, die Künstlerin lässt
hier viele Interpretationen offen.
Da in einer Diktatur wie Kuba Kritik am System nicht offen
ausgesprochen werden darf, bleibt es dem Betrachter überlassen Grettels Arbeiten eine politische
Aussage zu entnehmen.
Falsch ist dieser Bezug sicherlich nicht - Aber: machen wir es
uns damit nicht sehr leicht? Viele Menschen auch in Europa, ja in Deutschland erleben die medial
veränderte Welt als ebenso gesichtslose Bedrohung, erleben sich isoliert und ohnmächtig in
einer sich zunehmend individualisierenden Gesellschaft.
Es sind elementare individuelle
Lebenswirklichkeiten, die die Künstlerin Gretel Arrate in ihrer ausdrucksstarken Bildsprache
erfasst - Eine Anregung für uns, sich darauf einzulassen.
Und damit Sie nicht im Off der
Isolation verloren bleiben - das jüngste der ausgestellten Arbeiten (Ort zeigen, noch nicht Titel
nennen) von 2007 weist einen versöhnlichen Weg. Die Stäbe sind schmaler, zumeist an den Rand
gerückt und weniger metallisch kalt. Zwei Köpfe sind schematisch als Fläche angelegt
erkennbar. Ihnen zugeordnet jeweils ein zeichenhaftes Herz, wie wir es bereits aus den früheren
Werken kennen - hier ist dem Herz jeweils ein @ einbeschrieben, konstitutives Merkmal jeder
email-Adresse. Im Kontext dieses Werkes ein Hinweis auf Kommunikation: zwischenmenschliche Beziehung
also lässt die kalten Verstäbungen an den Rand weichen? Ganz eindeutig ist diese Aussage
nicht, denn der Titel lässt die Möglichkeit der Illusion offen: Rasta As. Ein Hinweis auf eine
Mode auf Kuba, die Möglichkeit über körperliche Schönheit das Leben einfacher zu
machen (Rastamänner sind beliebt und haben oft die Möglichkeit über Heirat ins Ausland zu
gehen) und ein spielerisches Element zu erleben.