Jungfräuliche Urwälder sowie einige gar nicht so jungfräuliche Damen sind die Pole,
zwischen denen sich die jetzt in der Galerie Holbein4 ausgestellten Brasilien-Gemälde des Berliner
Künstlers Reinhard Stangl bewegen. Erst vor Kurzem ist der 1950 in Leipzig geborene Maler aus
diesem südamerikanischen Land zurückgekehrt. Mit einem breiten stilistischen Vokabular
entwickelt er eine schwermütige Sicht auf Brasilien, orientiert sich an den im portugiesischen Fado
besungenen "Saudades".
Mit expressiv flackerndem Licht und locker gesetzten Pinselstrichen gelingen ihm einige reizvolle
Ansichten der urtümlichen lichtüberfluteten brasilianischen Landschaft bei Tag und der von
dunklen Nachtbars und Boudoirs beherrschten Stadt bei Nacht.
Es ist wichtig für Künstler - auch für die, die lange im Geschäft sind - immer
wieder etwas Neues auszuprobieren, sich von Stilkorsetts zu befreien. Ausstellen soll man sie aber erst,
wenn sie eine gewisse Reife erreicht haben. Stangls Stärke liegt in einer dichten, fast grafischen
Zeichenhaftigkeit, in Arbeiten, in denen Motiv und Grund eine geheimnisvolle und lyrische Beziehung
eingehen. Hier fällt eine angestrebte schweißtreibende erotische Sinnlichkeit zumindest
überzeugender aus als in anderen Bildern, die mit publikumswirksamen Klischees zwischen
Impressionismus und Pop flirten. Die ursprüngliche Kraft jener ersten Bilder wird hier nicht
erreicht, und die Resultate fallen eher flach oder gar plump aus. Und das hat er nicht nötig. Denn
gekonnt sind die Bilder dieses erfahrenen und sensiblen Malers schon, nur manchmal auch etwas zu sehr
gewollt.
"Reinhard Stangl - Saudades", bis 12. Juli in der hannoverschen Galerie Holbein4, Holbeinstr.
4, dienstags, donnerstags, freitags 10 bis 18.30 Uhr, mittwochs 10 bis 13 Uhr.